Seelsorge «Reden ist Silber, Schweigen ist Gold» Wie wahr dieses Sprich- wort ist, wird uns be- wusst, wenn wir uns in etwas eingemischt haben, das uns ei- gentlich nichts angeht und wir dann plötzlich mitten in einer unangenehmen Sache stecken. Oder wenn wir in einer Aus- einandersetzung mit unseren Bemerkungen zusätzlich Öl ins Feuer giessen und diese in einen bösen Streit ausartet. Oder wenn wir unüberlegt zum Telefonhörer greifen und Dinge sagen, die wir später lieber nicht gesagt hätten. Deshalb: «Reden ist Silber, Schweigen ist Gold». Nur: ist das immer so? Ich erinnere mich, wie unsere Mutter, als ich noch Kind war, schweigen konnte. Weil wir Kinder unartig ge- wesen waren. Oder weil die Mutter unter etwas litt, das wir nicht verstanden. Im ersten Fall wussten wir: ihr Schwei- gen ist die Strafe für unser Verhalten. Im zweiten Fall fühlten wir uns schuldig, ohne den Grund zu kennen. Das war eine grosse Belastung. Und 46 «Wir wissen, wie weh es tut, wenn eine Freundschaft abbricht und man sich nichts mehr zu sagen hat.» Und wenn jemand dann mit seinem Wort diese Einsam- keit aufbricht, dann wird uns bewusst: Sprache ist mehr als nur der Austausch von Wör- tern. Wenn uns jemand sagt: «Ich habe dich gern!» Wenn uns jemand dankt. Wenn wir hören: «Ich nehme deine Ent- schuldigung an. Es ist wieder gut!» Dass auch das Reden mit Gott weit mehr ist als nur der Austausch von Wör- tern, bezeugt uns die Bi- bel. «Ich wandte mich an den Herrn, und er ant- wortete mir; er befreite mich von allen meinen Ängsten», hören wir im 34. Psalm. Wir hören aber auch, wie er schweigt: «Du Herr, hast alles gese- hen! Schweig doch nicht län- ger, bleib nicht fern von mir!» (Psalm 35, 22) Selber erleben wir auch, wie er da ist, wie er uns anspricht, wie wir uns von ihm getragen fühlen, wie er aber auch schweigen kann. Wie verhalten wir uns dann? Die biblischen Menschen ha- ben in dieser Situation be- Rudolf Schmid ich erinnere mich, wie wir in der vierten Klasse mit einem Schulkameraden umgingen, den wir nicht mochten. Wir hatten uns abgesprochen, mit ihm nicht mehr zu sprechen. Wenn er etwas fragte, bekam er keine Antwort, wenn er auf dem Pausenplatz mitspielen wollte, wurde er ignoriert. Ich denke immer wieder an ihn, weiss jetzt, was er gelitten hat und schäme mich noch heu- te. Wir wissen, wie weh es tut, wenn eine Freundschaft abbricht und man sich nichts mehr zu sagen hat. Oder wie bitter es ist, wenn ein geliebter Mensch für immer verstummt. Nein: Schweigen ist nicht im- mer Gold! Schweigen ist oft auch bittere Einsamkeit.